„Ist dies schon Wahnsinn, so hat es doch Methode“ (Shakespeare, »Hamlet« II, 2).

Es ist ein wunderschöner Frühlingsmorgen, als ich das Gebäude des OLG Jena betrete.
Vor der Sicherheitsschleuse grinst der Gerichtsmitarbeiter mich breit an, als ich ihm meinen Anwaltsausweis zeige:
„Aha, Sie sind ein Anwaltender!“
Ääääh…. Pardon?
„Ja, wir gehen doch jetzt mit der Zeit, also verwenden wir jetzt hier ganz offiziell geschlechtsneutrale Begriffe.“
Ich brauche einen Moment, um zu begreifen. Wahrscheinlich war der – natürlich grüne – Justizminister gestern zu Besuch und hat das hohe Lied von der Modernisierung der Justiz gesungen. Zum Beispiel, dass es nur noch zwei, drei Jahre dauert, bis das Gericht „voll digital“ sei. Bis dahin schickt die Anwaltschaft ihre Schriftsätze über ihr extra für viel Geld (der Anwälte natürlich) eingerichtetes „besonderes Anwaltspostfach“ („beA“) an das Gericht, wo dann die tatkräftigen Mitarbeiter alles ausdrucken und dem Richter vorlegen, der dann verfügt, dass die Sendung per Post (!) an den anderen Anwalt geschickt werde.
DAS ist mit Modernisierung der Justiz natürlich NICHT gemeint. Aber gewiss hat der Herr Minister seine Mitarbeitenden darauf hingewiesen, dass jede/r (m.w.d) ab sofort einen einklagbaren Anspruch darauf hat, mit seinem tatsächlichen Geschlecht bezeichnet zu werden. Davon gibt es mittlerweile 60
Oder 72
(https://de.wikipedia.org/wiki/Nichtbin%C3%A4re_Geschlechtsidentit%C3%A4t).
Oder unendlich viele
Und wer die nicht spontan alle aufzählen kann, hat gefälligst eben eine neutrale Formulierung wählen.
Und das war die Geburtsstunde des „Anwaltenden“.
Ich mein‘, es ist ja nur fair:
- wir haben Krieg in Europa,
- die Währung bricht ein,
- die Gas- und Benzinpreise explodieren,
- die Lebensmittelpreise gleich mit,
- wir müssen uns auf das große Frieren im Winter einstellen,
- die Krankenhäuser und Pflegestationen pfeifen aus dem letzten Loch,
- Schulen und Straßen marodieren,
- Handwerksbetriebe haben nicht nur kaum Nachwuchs, sondern neuerdings auch ein Riesenproblem, ihr Material, wenn überhaupt, einigermaßen erschwinglich zu beziehen…
… aber dafür
- echauffieren wir uns gerade sehr über „sexistische“ Liedtexte,
- verknacken wir die Deutsche Bahn AG zu Schmerzensgeld, weil sie eine Person (m,w,d), die sich heute einmal als „pangender“ definiert, auf dem Onlineformular zur Bestellung von Tickets nicht auch so anspricht,
- verbieten wir Wissenschaftlern, in Vorträgen in der Uni ihre Meinung kundzutun, es auch künftig ganz gern mit zwei Geschlechtern halten zu wollen,
- und damit es auch jeder versteht, gehen wir stramm auf die 100 Gender-Lehrstühle an deutschen Universitäten zu. Natürlich auf Kosten der Natur- und anderen wichtigen Wissenschaften.
Wenn DAS nicht die wahren Probleme unserer tief in den 50er Jahren stehengebliebenen Gesellschaft sind, was dann?
Anwalt geht mit der Zeit und wird sich als „Der Anwaltende“ künftig an die Spitze des Fortschritts stellen und über die Schöne Neue Welt berichten.
Erbarmungslos, ironisch, aber gnadenlos progressiv!